Pfarrer Heinrich Anholt (1833 - 1906)

Die alte Titularstadt Dringenberg kann bekanntlich auf eine fast 700-jährige reiche Geschichte zurückblicken. Die erste Zusammenfassung dieser Geschichte erfolgte im Jahre 1874. Der Paderborner Gymnasialprofessor Dr. Wilhelm Engelbert Giefers (1817-1889) veröffentlichte in der Zeitschrift für vaterländische und Altertumskunde den 115-seitigen Aufsatz 'Die Anfänge der Burg und Stadt Dringenberg'. Giefers war der erste Direktor des 1853 gegründeten Diözesanmuseums.

Wesentlich umfangreicher und detaillierter sind dann etwa 20 Jahre später die Aufzeichnungen des Dringenberger Pastors Heinrich Anholt. Im Pfarrhaus werden seine in fünf Bänden geschriebenen Aufzeichnungen aufbewahrt. Es sind dies:

  • Band 1: Stadtgeschichte. Wiedergabe von Urkunden, städtische und fürstbischöfliche Verwaltung, Bevölkerung usw. (533 Seiten)
  • Band 2: Kirchengeschichte. Geschichte der Kirche, Pfarrstelle, Gerichtsbarkeit, Amtmänner, Schützengesellschaft usw. (537 Seiten)
  • Band 3: Schulangelegenheiten. Küster, Lehrer, Organisten usw. (250 Seiten)
  • Band 4: Pfarrstelle. Inventar, Vermögen, Einnahmen – Ausgaben (295 Seiten)
  • Band 5: Kirchliches Leben. Gottesdienste, Anbetungen, Missionen, Prozessionen, Rosenkranzbruderschaft usw. (63 Seiten)

Damit diese einzigartige Fleißarbeit nicht einmal durch Diebstahl oder Vernichtung durch Brand o. ä. verloren geht, hat der Heimatverein in den letzten Jahren die Möglichkeit genutzt, sich Fotokopien anzufertigen und im Stahlschrank sicher zu archivieren. Die Akten können während der Öffnungszeiten in der Burg eingesehen werden. Eine Ausleihe ist allerdings nicht möglich. Wer einmal Einsicht nehmen möchte sollte schon mit der Sütterlinschrift vertraut sein, denn um 1900 bediente man sich weder einer Schreibmaschine geschweige denn eines Computers. Anholt schrieb grundsätzlich mit Tinte, dem Füllfederhalter.

Wenn man die Dimension der Arbeit von Heinrich Anholt erfassen und würdigen will, dann muss man sich auch vor Augen halten, dass man 1900 nicht mal eben nach Münster fahren konnte, um dort im Landesarchiv NRW (Staatsarchiv) Akteneinsicht zu nehmen. Sicher wird er auf die Arbeit von Giefers zurückgegriffen haben. Doch hauptsächlich wird er sich örtlich vorhandener Urkunden oder anderer Aufzeichnungen bedient haben.

Doch wer war dieser Schreiber? Heinrich Anholt wurde am 5. September 1833 in Grumme bei Bochum, heute ein Stadtteil der Ruhrstadt, geboren. Nach Vollendung seiner Studien wurde er am 20. August 1862 in Paderborn zum Priester geweiht. Er wirkte zunächst 8 Jahre als Schulvikar in Wiedenbrück, danach 17,5 Jahre als Kaplan in Esbeck, Kreis Lippstadt. Am 24. April 1887 übernahm er die Pfarrstelle in Dringenberg. Im Jahre 1902 wurde er schwer krank. Vier Jahre lang ertrug er sein Leiden und verstarb am 27. Juli 1906. Auf seinem Totenzettel heißt es: Der Verstorbene war ein frommer, pflichteifriger Priester, dem das Wohl und Wehe aller, die seiner Hirtensorge anvertraut waren, sehr am Herzen lag.

Eine Würdigung seiner seelsorgerischen Arbeit ist an dieser Stelle nicht möglich. Doch als Chronist der Dringenberger Geschichte jener Zeit und als jemand, der für die Nachwelt zahllose Informationen gesammelt und niedergeschrieben hat, verdient er große Anerkennung.

Er muss viele Akten studiert, für seine Arbeit geordnet und akribisch recherchiert haben. Für seine Arbeit war zudem eine Vorauswahl erforderlich, um die Texte Themenbereichen zuordnen zu können. Es finden sich sogar wörtlich wiedergegebene Schriftstücke in seinen Aufzeichnungen.

Dabei bleibt es wohl nicht aus, dass Pfarrer Anholt nicht ohne Nachträge auskommen konnte. Ein Verschieben, Löschen oder anderen Bereichen zuordnen, wie es heute der Computer möglich macht, gab es nicht.

Wenn man sich über Jahre immer wieder einmal mit seinen Texten und Beschreibungen befasst hat, bildet man sich schon ein Urteil über seinen Charakter. Nun, Heinrich Anholt scheint jemand gewesen zu sein, der einem Streit ungern aus dem Wege ging, zumal wenn es um Geld oder andere irdische Dinge ging. Das galt für die Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand, dem Stadtrat, dem Bürgermeister oder Behörden. Der Gang zum Landrat in Warburg fiel ihm offensichtlich nicht schwer und auch eine Beschwerde beim Regierungspräsidenten in Minden erledigte er locker. Klagen über ihn bei weltlichen Stellen fochten ihn nicht an. Das ärgste, was ihm passieren konnte, waren Beschwerden beim Paderborner Bischof, seinem Vorgesetzten.

Heinrich Anholt übernahm in schwieriger Zeit das Amt des Ortspfarrers in Dringenberg. Als am 26. März 1875 Pfarrer Franz Merz gestorben war, konnte infolge des Kulturkampfes kein Geistlicher mehr angestellt werden. Ja, nicht einmal seelsorgerische Handlungen waren der Gemeinde erlaubt. Kaplan Schacht aus Schmechten und Pastor Richter aus Neuenheerse besorgten, so gut es ging, die Seelsorge im Amtsstädtchen. In Kühlsen wurde ein sonntäglicher Gottesdienst angeboten. Als der Kulturkampf nachließ, kamen zunächst Hilfsseelsorger, wie z. B. im Jahre 1882 der Gymnasiallehrer a. D. Parensen aus Nieheim.

Es wurde dann endlich besser, als Heinrich Anholt am 24. April 1887 die Pfarrstelle in Dringenberg übernahm. Man darf ihm in seiner niedergeschriebenen Meinung glauben, dass nach 12 Jahren Kulturkampf vieles im Argen lag. Dazu zählen auch die desolaten Zustände der kirchlichen Gebäude, für die der politischen Gemeinde die Baupflicht oblag

Aber Heinrich Anholt war ja ein aktiver Mann und ein Kämpfer. Im Band zwei beschreibt er auf den Seiten 159 – 172 den Zustand der Kirche und des Umfeldes im Jahre 1887. Dort hält er z. B. auch fest, dass im Jahre 1890 das Spritzenhaus zwischen Kirchturm und nördlichem Seitenschiff abgebrochen wurde.

Auch das Innere der Kirche war beklagenswert. Bei Holzstatuen waren wegen des Holzwurmbefalls Arme oder andere Teile abgebrochen und auch die Altäre waren sehr angegriffen. Hier musste Abhilfe geschaffen werden. Dabei ging Pfarrer Anholt wohl nicht zimperlich vor, wie die Behandlung des Hochaltares zeigt. Es war ein Barockaltar, den er auch auf Seite 169 beschreibt. Bei den Abbrucharbeiten 1892 fand man übrigens in den Kalkmörtel eingeritzt die Jahreszahl 1402. Nachdem nun die Gemeindevertretung am 25.08.1893 ihr Einverständnis für den Abbruch des Altares und einer Neuanschaffung zugestimmt hatte, gab es Komplikationen mit dem Kirchenvorstand. Vier von ihnen waren gegen den Abbruch und beschwerten sich beim Oberpräsidenten und beim Landeskonservator. Dessen Depesche erhielt Pastor Anholt jedoch erst, als der Altar schon fast abgebrochen war. Als der Konservator dann am 1. September eintraf, war nichts mehr zu konservieren. Nach Inaugenscheinnahme stimmte der Konservator dem Abbruch doch wohl zu, so schlecht muss der Zustand der Holzaltäre gewesen sein.

Sein Nachfolger, Pfarrer Franz Xaver Schrader, schreibt, dass sich H. Anholt durch die Instandsetzung der Kirche in wirklich schöner Weise trotz hartnäckigen Widerspruchs und unzähliger Hindernisse ein bleibendes Andenken gesichert hat. Wer wollte ihm hier, 120 Jahre später, widersprechen

Schrader weiter: „Anholt schadete sich selbst in seinem seelsorgerischem Wirken durch seine Schärfe und seinen Eigensinn. Mit seinem größten Widersacher, Amtmann Wibberich, söhnte er sich jedoch auf seinem Sterbebette aus.

K. Gehle