Freiheit

Nach einer Sage auf Burg Dringenberg

„Gefangen, Ritter Theudebert!
Verloren für immer Kampf und Schwert.
Die Ketten, ihr Knechte, rasch herbei!
Im Verlies ersticke sein letzter Schrei!“

Der von Dringenberg klirrend vom Rosse sprang.
Der Burghof donnert von seinem Gang.
„Halt“ kehrt er zu seinem Gefangenen hin,
„Eine andere Strafe steht mir im Sinn.

Die Burg ist hoch. Tief sitzt der Quell.
Ein Brunnen ist not. Wohlan Rebell!
Du gräbst den Stollen – und rieselt im Grund
der Quell – bist du frei zur selbigen Stund!“

Und der Ritter gräbt und wühlt den Schacht.
Eimer um Eimer wird hoch gebracht,
bei schmaler Kost und gefesselter Kraft:
O hartes Los der Gefangenschaft.

Doch immer tiefer in die Erde hinein
der Spaten stößt durch den harten Stein.
Da droben leuchtet der Sonne Licht.
„Ich werde frei!“ der Gefangene spricht.

Da droben lockt der rauschende Wind.
„Bald werd’ ich reiten durch die Wälder geschwind!“
Ein Vöglein jubelt von des Brunnens Rand.
„Bald schau ich wieder mein Heimatland!“

Und Kinder spielen in dem frischen Gestein.
„Bald werd’ ich bei meinen Kindern sein!“
Im Burghof lustwandeln die Frauen zier.
„Bald, teure Gattin, bin ich bei dir!“

Um die Wette Spaten und Eimer fliegt.
Die Sehnsucht nach der Freiheit alles besiegt.
Es verrinnen die Tage und Monde und Jahr’,
krumm wird der Rücken und weiß das Haar.

Doch die Liebe zur Freiheit nimmer schlief.
Tief aus der Erde die Sehnsucht rief.
Und es kam die tausendmal selige Stund’:
die Quelle rieselt auf felsigem Grund!

Einen Trunk vom köstlichen Wasser er nimmt.
Glücktaumelnd der Gefangene nach oben klimmt.
Die Riegel klirren. Auf fliegt das Tor!
„Frei! – Frei!“ Der Ritter schreitet hervor.

Der Sonne Licht und der Vöglein Lied
lautjubelnd in seine Seele zieht.
Sein Herz tut einen ersten Schlag:
„Frei werd’ ich nun reiten durch Wald und Hag!“

Zu den fernen Bergen rasch fliegt sein Blick:
dort drüben grüßt seine Burg, sein Glück.
Da tut sein Herz den letzten Schlag:
getötet hat ihn der Freiheit Tag.

A. Ballhausen